Fa. Kolb&Co

Dem Werk "Ausländer im Arbeitseinsatz in Wuppertal" von Florian Speer, das sich mit der Zwangsarbeit von Ausländern im 2. Weltkrieg beschäftigt, konnten wir entnehmen, dass in Wuppertal ein Unternehmen existierte, in dem Kleinkinder von Zwangsarbeiterinnen in sehr hoher Zahl starben und vermutlich gezielt vernachlässigt und getötet wurden.

Es handelt sich um das in der damaligen Litzmannstraße 23 angesiedelte Unternehmen "Kolb und Co.", das im Zuge des Führernotprogramms unter anderem Schrauben und Muttern für Hochleistungsflugzeuge und Unterseeboote herstellte.

Die Zahl der dort arbeitenden Zwangsarbeiter war am Bedarf der jeweiligen Rüstungsproduktion orientiert, sodass neben 429 Deutschen, 242 Ostarbeiter, darunter 196 Frauen, im November des Jahres 1944 beschäftigt waren. Diese Zwangsarbeiter wurden in Baracken und Lagern untergebracht. Das Ostarbeitermännerlager befand sich in der Rathenaustraße 23 und ein größerer Altbaukomplex in der Straße Tütersburg 37-43 diente zur Unterbringung von den Ostarbeiterinnen. Ebenso mietete das Unternehmen, bei dem nationalsozialistische Fahnenapelle, Wandsprüche und Wettbewerbe täglich durchgeführt wurden, Grundstücke in der Germanenstraße an, um dort eine Krankenstation für ausländische Arbeitskräfte, in der auch Entbindungen stattfanden, zu betreiben.

Vermutlich wurde die Kinderbetreuung von der deutschen Lagerführerin Martha geleitet, die nie eine medizinische Ausbildung genossen hatte. Neben Verwahrlosung könnte dies auch ein möglicher Grund dafür sein, dass zwischen dem 1.1.1944 und Mitte 1945 offiziell 27 der in der Verantwortung von Kolb & Co. stehenden Säuglinge und Kinder gestorben sind.

Doch es bleiben Fragen offen. Was genau in der Säuglingsbaracke passiert ist, bleibt unklar.

Eine damalige Ostarbeiterin namens Tatjana Bilic, die in jenem Unternehmen arbeitete und ihren Sohn Viktor T. verlor, erhebt gegen das Unternehmen schwere Vorwürfe, in denen sie behauptet, dass 45 Kinder gezielt vergiftet worden seien, um sich den lästigen Sprösslingen zu entledigen

"Als die Amerikaner angekommen waren, haben wir die drei [Martha, Klawa und Lida] bei ihnen angezeigt, weil sie fünfundvierzig Kinder vergiftet habe, darunter auch mein Kind. Mein Kind konnte ich erst nach acht Tagen begraben, weil man kein Grab gegeben hat. Die anderen Kinder wurden von den Amerikanern zusammen in eine Kiste gelegt; wo diese toten Kinder hingekommen sind, weiß ich nicht."

Es ist wahrscheinlich, dass andere Betriebe in der näheren Umgebung dort beschäftigte Zwangsarbeiterinnen mit ihren Kindern zu dem Unternehmen Kolb & Co. geschickt haben, um die störenden Heranwachsenden loszuwerden, die dort anschließend zum selben Zweck getötet wurden.



Kindersterblichkeit von Zwangsarbeitern im Wuppertal der NS-Zeit

Im Jahr 1944 kamen in Wuppertal insgesamt 211 Kinder von Zwangsarbeitern zur Welt. 24 dieser Kinder waren polnischer Abstammung und 187 waren Kinder von Ostarbeitern ( Russen,Ukrainer)

Von diesen 211 Kleinkindern starben insgesamt 145 Kinder im Zeitraum vom 1.1.1944 bis Mitte 1495
Die Sterberate in Prozent lautet wie folgt: Polnische Kinder 3%

Russische Kinder 24,5%; Deutsche Kinder 0,3%


Unter den Todesursachen entsteht folgendes Bild.

Am häufigsten treten Essstörungen auf (33) , gefolgt von Lungenentzündungen (29) . Mit dazu gehören 10 weitere Fälle von Darmkrankheiten und 12 Pneumonien .

Diese Angaben geben Hinweise auf Vernachlässigung der Kinder. Hierzu muss geklärt werden, wie die Verhältnisse waren. Dass Mütter ihre Säuglinge nach der Geburt stillen konnten, war nicht die Regel. Bis auf wenige Ausnahmen mussten die Mütter nach sehr kurzer Schonfrist wieder harte Arbeit verrichten. Die Kinder wurden entweder durch andere Arbeiter gepflegt oder in so genannte Ausländerkinder-Pflegestätten unter gebracht.Dort wurden die Kinder von Pflegepersonal betreut und versorgt. Laut dem Arbeitsamt standen den Müttern eine Vierwöchige Sonderration zu. Die Rationen bestanden aus :


400gr Butter , 28gr Teeersatz, 1200 Zucker, 14l Vollmilch, 1000gr. Nährmittel, 10 kg. Kartoffeln, 3200gr. Mehl

Ob die Mütter diese Leistung bekommen haben hing vom Personal bzw. von der Verfügbarkeit der Lebensmittel ab. Weiter steht die Frage offen ob es in den Pflegeställen zur gezielten Tötung von Säuglingen kam. (siehe Tatjana B.) Diese Frage lässt sich aus den mir vorliegenden Unterlagen nicht beantworten.


Quelle: Florian Speer; Ausländer im „Arbeitseinsatz“ in Wuppertal.



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