Briefelesen

altFür ein formulierbares Zwischenergebnis notierten wir nach der Quellenerfassung (die dazu erstellten "Stammblätter" finden Sie hier) zunächst die uns besonders beeindruckenden und wichtigen Briefstellen. In einer Arbeitsgruppe glichen wir unsere Funde ab und einigten uns auf drei exemplarische Zitate und erläuternde Statements.


I

„Ich glaube es ist allgemein bekannt was bei Tscherkassy los war. Wir brachen zwar den Kessel auf aber wurden selbst dabei fast aufgerieben. Ich selbst erfror hierbei, leicht allerdings, die Füße und kam nach 14 Tg. zurück. Fünf Tage später wurde die Komp. abgelöst, Komp. ist zu viel gesagt. Es war nur noch 1 Uffz. Kaum einen von meinen Kameraden habe ich wieder gesehen.“

Gefreiter Werner S.

Rußland, den 15.3.1944

Dieses Zitat wählten wir aus, da es besonders genau den Hergang der Kesselschlacht von Tscherkassy beschreibt.

Der Autor stellt dar, welch geringe Teile der Einheiten überlebten, er geht hierbei auch auf sein persönlich erlebtes Leid ein, welches sicherlich exemplarisch für die allgemeinen Bedingungen während dieser Schlachten ist.

Das Besondere an diesem Brief ist die Genauigkeit – wäre dieser Brief in der Zensur geöffnet worden, wäre er vernichtet worden.

Uns ist dieser Brief so wichtig, da er uns exakt über die Rückzuggefechte der deutschen Wehrmacht im Frühjahr '44 informiert.


II

„Du weißt doch, daß ich Dich liebe und immer zu Dir halten werde. Nun verspreche ich Dir auch noch ich werde mich nicht mit einem anderen Mann „einlassen“ (Wie das klingt!!)“

P. an Hans


Dieses Zitat hat uns sehr begeistert, da die Frau in diesem Brief ihre stärksten und tiefgründigsten Gefühle ausdrückt.

Das Versprechen, welches sie gibt, zeigt das Vertrauen und auch die Opferbereitschaft, die die Menschen damals brauchten, um eine solche Fernbeziehung zu führen und aufrechtzuerhalten.

Trotz der ständigen Gefahr des Todes, schenkt die Frau ihm ihre ganze Liebe und bewahrt sich für ihn auf.Das Berührende an diesem Zitat ist für uns die Selbstverständlichkeit und Stärke der Liebe sowie ihre Bemühungen um eine „gute“ Beziehung, trotz der Wirren des Krieges.

Dieses Zitat macht uns bewusst, wie viel Hoffnung und Optimismus zu dieser Zeit in den Menschen gelebt hat.


III

„ Zu Lieber Fritz ich hätte dir gerne ein Bildchen von K. geschickt, leider habe ich kein Geld dafür. Dafür schicke ich aber eine Locke von ihm.“

Dieses Zitat hat uns sehr interessiert und berührt, weil sich darin die komplizierte Lebenssituation der Frau widerspiegelt. Die Frau befindet sich in einer schwierigen Lage. Aus dem Brief geht hervor, dass sie wenig Geld hat und aufgrund des Krieges, bzw. wegen der Bombenangriffe auf Berlin, nicht in die Stadt zur Arbeit fahren kann. Obwohl der Adressat an der Vaterschaft zweifelt, versucht die Frau den Vater über - ihrer Meinung nach - seinen Sohn zu informieren. Sie schickt die Locke als Botschaft für die Entwicklung des Sohnes und auch als Verbindungsaufbau zwischen Vater und Sohn.

Abschließend lässt sich sagen, dass hier mehrere Probleme der damaligen Zivilbevölkerung in Deutschland thematisiert werden. Uns hat vor allem die Frau beeindruckt, welche mit einfachsten Mitteln die kriegsbedingten Komplikationen bewältigt.


(Namen sind anonymisiert)


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